Harbeth P3ESR SE  

 

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Kompaktmonitor Harbeth P3ESR in der Special Edition

 

Harbeth P3ESR SE in Kirschefurnier mit abgenommener Frontbespannung

 

Vor vielen vielen Jahren, kurz bevor ich  ein "Jünger" und glühender Verehrer der Firmen Naim und Linn wurde, hatte sich für mich ein einschneidendes Erlebnis ergeben. Bei uns in Kassel gab es damals das Hifistudio Dietrich um den Besitzer Carsten Dietrich, welcher autorisierter Naim und Linn Händler war und das Motto beider Firmen tief in sich aufgesogen hatte. Ich kam damals ziemlich unbedarft dorthin und war eigentlich auf der Suche nach einem englischen Vollverstärker. Nachdem ich meine Wünsche und Vorstellungen geäußert hatte, führte mich Herr Dietrich in eines seiner Single-Speaker-Demonstration-Studios. Zu dieser Zeit musste ein Lautsprecher für mich eine stattliche Größe haben und etwas "darstellen". Was ich jedoch in dem Hörraum vorfand, war zwar ein stattlicher Linn LP12 Plattenspieler, eine Linn Vor/Endstufenkombination LK1 / LK280 und an den Wänden ein paar wirklich kleine Lautsprecher von Mordaunt Short auf klassischen Metallständern. Die Lautsprecherleitungen drohten damals, den Winzling von den Ständern zu reißen. Ich hielt die Zusammenstellung des Ensembles, speziell natürlich der Lautsprecher, für einen schlechten Witz. Allerdings nur, bis Carsten Dietrich damals "Beds are Burning" von Midnight Oil auflegte. Mir hatte es schlagartig den Atem verschlagen, so kräftig und farbig musizierte die Kette damals los. Ich saß damals einige Stunden gefesselt in dem Hörraum und lauschte einer Scheibe nach der anderen. Auch wenn ich an dem Tag "nur" einen mühsam zusammengesparten Rotel RA840BX3 Vollverstärker mitnehmen konnte, wurde ich doch Stammgast im Hifistudio Dietrich und über die Zeit fanden dann einige Geräte der Firmen Linn und Naim zu mir. Seitdem wusste ich, dass eben nicht immer auf die Größe ankommt.

Die Geschichte ist schon wirklich lange her und ich erzähle sie hier eigentlich nur aus einem Grund: In meinem Leben habe ich in Sachen Hifi schon wirklich viel gehört und selber ausprobiert aber über die ganzen Jahre gab es nur ein paar wenige Begegnungen und Erlebnisse, die mich nachhaltig beeindruckt haben und an die ich mich auch heute noch gern erinnere. Diese kurze Geschichte zählt dazu und ich habe mich nun, da sich räumlich bei mir etwas geändert hat, wieder daran entsinnt. Mein zweiter Hörraum bei mir zu Hause im Dachgeschoß ist gerade dabei, für mich nicht mehr nutzbar zu sein. Der Raum war schon selber nicht sehr groß und nun habe ich mir im Keller einen noch etwas kleineren Hörraum einrichten müssen, indem obendrein auch die Deckenhöhe noch niedriger ist.

Ich hatte dort einige Lautsprecher ausprobiert, welche aber nicht richtig funktionierten: Quad ESL57, Naim SBL, PHY HP Breitbandchassis in offener Schallwand, Hommage WR Harcore-Breitbandsystem, Manger Zerobox 109... Nichts funktionierte so, wie ich es mir vorstellte und plötzlich kam der alte Gedanken an einen kleinen Monitor wieder in mein Gedächtnis. Da ich schon lange die Geräte von der "Insel" mag und über die Jahre immer wieder Berührungspunkte dazu hatte, habe ich mich entschlossen, hier etwas auszuprobieren. Seit vielen Jahren lese ich immer wieder gern Berichte über britische Minimonitore, zb. von Rogers, Spendor, Harbeth oder auch Stirling und wenn sich die Gelegenheit ergibt, höre ich mir diese auch gern an. Da die meisten dieser Schuhkartongroßen Winzlinge für das Hören im Quasi-Nahfeld optimiert sind, konnte ich mir vorstellen, dass solch ein Konstrukt den schwierigen kleinen Hörraum "knacken" könnte und so begab ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Spielpartner. Ein sehr interessanter Tag dazu, mit einigen aktuellen Derivaten der von der BBC England spezifizierten LS3/5A Baureihe und einigen Bildern ist hier in meinem Erlebnsse Teil 5 zu finden.

Nach diesem Tag war für mich klar, dass mir von der Über-Alles-Performance die Harbeth P3 ESR in der Special Edition am meisten zusagt. Nach einem weiteren Besuch bei Markus Kampschulte und seinem umwerfenden Hifiladen Loftsound in Arnsberg Nehheim habe ich mir dann ein Pärchen Harbeth gegönnt. Markus ist ein sehr hilfsbereiter Mensch und liebt die gute Musikwiedergabe, was man auch bei Gesprächen über seine Produkte bemerkt. Es lohnt sich wirklich einmal, sein "Loft" zu besuchen. Selten sieht man so viele interessante Gerätschaften in einem Laden und das Ambiente dort ist ebenfalls klasse. Ich habe mich auf jeden Fall sehr gut bei ihm aufgehoben und wohl gefühlt.

 Bei mir zu Hause war es dann in dem Raum trotzdem noch nicht damit getan, die Harbeth einfach hinzustellen und schon funktioniert alles auf Anhieb. Ich musste einige Veränderungen vornehmen. Hierzu gehört Möbel rücken und auch an der Bedämpfung arbeiten, im speziellen an der der niedrigen Decke. Irgendwann rastete aber das Klangbild so ein, dass ich damit arbeiten konnte. Als Ständer hatte ich drei verschiedene Modelle probiert, bin dann aber aus rein klanglichen Gründen bei einem massiven Modell von Bowers & Wilkins aus der CM Serie hängen geblieben, welche ich bei meinem Freund Fränki von dem ebenfalls mit jeder Menge Herzblut betriebenen Hifiladen AES aus Kassel gekauft habe.

 

Nun zur Harbeth P3 ESR

Harbeth ist ein traditioneller britischer Lautsprecherhersteller, welcher seine Wurzeln im Jahr 1977 hat und in Lindfield im Süden von London (West Sussex) ansässig ist. Harbeth folgt schon lange der Tradition,  Monitorlautsprecher nach den Spezifikationen bzw. dem Ideal der englischen BBC (British Broadcast Corporation) zu fertigen. Als der Harbeth Chef- und Chefentwickler Alan Shaw vor die Aufgabe gestellt wurde, einen Nachfolger für das legendäre LS3/5A Design zu entwerfen, folgte darauf eine vierjährige Entwicklungsarbeit. Intensive Hörtests, Computersimulationen und die 30 jährige Erfahrung im Monitorbau halfen dabei, einen klanglich außergewöhnlich guten Kleinlautsprecher zu kreieren. Im Tief/Mitteltonbereich kommt ein 110mm Chassis zum Einsatz, welches selber im Hause Harbeth gefertigt wird. Das verwendete,"Radial" genannte Membranmaterial ist patentiert worden und findet sich in der Typenbezeichnung der P3ESR  als das  "R" wieder. Die 19mm Hochtonkalotte wird von einem Metallgitter geschützt und besitzt im inneren einen kleine Diffusor. Auch die aufwändige und perfekt auf die beiden Chassis abgestimmte Frequenzweiche wurde durch viele Computersimulationen und Hörtests entwickelt und soll so eine extrem ausgewogene Wiedergabe mit einer holographischen Bühnenabbildung garantieren. Jedes Paar Harbeth wird von allen Werten her selektiert, gematcht und nummeriert. Diese Werte werden dann in der Datenbank, dem sogenannten "Master Log Book" von Harbeth nach erfolgreicher Registration durch den Erstbesitzer zugeordnet. Somit soll auch nach Jahren bei einem eventuellen Defekt eine Instandsetzung aller wichtigen Teile möglich sein. Dieses Vorgehen hat bei mir obendrein für ein gutes Gefühl gesorgt. Ich habe mich obendrein noch für die SE, also der Special Edition der P3ESR entschieden. Im Vergleich zur "normalen" P3ESR hat diese die Innenverkabelung des größten Modells von Harbeth, der 40,1 und welches als "Studio Grade Ultra Pure OFC cable" tituliert ist.  Meine Version ist ürbigens in Kirsche Echtholz furniert und macht von der Verarbeitung her einen erstklassigen Eindruck. Alle Furnierkanten und Passungen sind feinsäuberlich ausgeführt und die Frontbespannung, welche in die umlaufende Nut der Frontplatte geklemmt wird, hält bombenfest.

 

Engländer unter sich und eine gute Verbindung: Harberth auf Ständern von Bowers & Wilkins

 

Hier mit Frontbespannung, welche in manchen Anwendungsfällen auch klanglich von Vorteil sein kann.

 

Die Rückseite: Solide Single Wiring Lautsprecherterminals und Typenschild auf verschraubter Rückwand ...

 

... mit zugehöriger Seriennummer. Die Special Edition ist zusätzlich mit der speziellen Innenverkabelung des größten Harbeth Modells 40.1 ausgestattet.

 

Solide Arbeitsbedingungen schaffen die Ständer von Bowers & Wilkins aus der CM Serie

 

Druckguss und Spikes, Die Ständer können auch noch mit dämpfendem Sand befüllt  werden.

 

Naim Nait 2 Vollverstärker: Der legendäre Kraftzwerg hatte in meinem Umfeld eine etwas zu kräftige Vorstellung an den Harbeth abgegeben.

 

In Sachen Antrieb auch eine gut funktionierende Wahl: Quad II Röhrenmonoblöcke

 

Ich bin gerade dabei, mir eine neue Röhrenvorstufe aufzubauen. Bis dahin erledigt meine HK Signature diese Aufgabe

 

Zum Klangeindruck:

Wie ich schon weiter oben beschrieb, höre ich meine neuen Harbeth P3ESR SE im Quasi-Nahfeld. Das bedeutet, dass sie in meinem Raum etwa 1,80m weit auseinander stehen und ich ca. 2 Meter weit weg sitze. Durch die Bowers & Wilkins Ständer habe ich eine für mich optimale Höhe erreicht, in der der Hochtöner in etwa auf Ohrhöhe spielen kann. Momentan kommen die analogen Signale von einem historischen Lenco L75, die digitalen von der TET Cochise 1000, die Vorverstärkung übernimmt, bis meine neue Röhrenvorstufe fertig ist, noch eine HK 2500 Signature und die Verstärkung leisten meine Quad II Röhrenmonoblöcke mit ca. 15 Watt Ausgangsleistung. Einen interessanten Ausflug hatte ich Verstärkerseitig auch noch mit einem Naim Nait 2 durchgeführt, der mir an den Harbeth aber im Nahfeld zu stark "Rockte" und mir die Musik quasi direkt um die Ohren haute. Es mag aber durchaus Geschmäcker, Räume und Konfigurationen geben, wo dies besser funktioniert als bei mir.

Tja, was soll ich sagen: Irgendwie ist fast alles da, was man von einem hochwertigem Musikwiedergabesystem erwartet. Es ist selbstverständlich nicht möglich, ohrenbetäubende Pegel zu fahren und Tiefbassorgien zu erleben. Aber das, was ansonsten darüber zu hören ist, kann einem den Atem verschlagen. Eine Bühnenabbildung, die räumlich gespenstisch groß daher kommt und man hat fast keine Chance mehr, die beiden Lautsprecher als Quelle wahrzunehmen. Sie verschwinden quasi akustisch komplett aus der Ortung und Wahrnehmung. Vor mir steht ein super stabiles Klangbild, welches sich aber nicht durch Effekte aufdrängt, es sei denn, die Aufnahme will es so. Gerade der doch so sensible Mitteltonbereich ist einer der Besten und realistischsten, die ich je hier bei mir zu Hause zu Hören bekommen habe. Stimmen, egal ob von Frau oder Mann gesungen, klingen bei guten Aufnahmen herausragend echt. Alles wirkt in sich so homogen und so stimmig, dass die Aufmerksamkeit überhaupt nicht mehr auf Einzelaspekte sondern auf das Beschäftigen mit dem Musikmaterial gelenkt wird. Ich habe hier wirklich viele Stunden eben nicht konzentriert, sondern entspannt Musik gehört und mich von der Musik davontragen lassen. Wenn ich neue Komponenten oder fremde Anlagen und Ketten beurteile, habe ich mir angewöhnt, mit einer einzelnen Stimme anzufangen. Hier gibt es zum Beispiel schönes Material mit hochwertigen Aufnahmen bei Parlando und gerade die deutsche Synchronstimme von Christian Brückner, welcher sie sonst dem Schauspieler Robert de Niro leiht, ist für mich ein Maßstab geworden. Des Weiteren ist der Track 2 von der Manger CD ein guter Prüfstein, um die Tonalität eines Musikwiedergabesystems hinsichtlich des sensiblen Mitteltonbereichs zu überprüfen. Bei diesen beiden CD`s ist es gespenstisch realistisch, wie die kleine Harbeth dies darstellt. Es hört sich wirklich "echt" an, die Artikulation lässt einem einen Schauer über den Rücken laufen und auch die Ortung und die damals bei der Aufnahme eingefangenen Raumanteile sind einfach da und in die Darstellung eingebettet und lassen sich bei Wunsch exakt verfolgen.

 Oft tendieren Hifisysteme gerade im Mitteltonbereich zu einer mehr oder weniger nasalen Wiedergabe aber nicht die Harbeth. Man meint ständig, einen wesentlich größeren und obwohl sie für einen Minimonitor auch nicht gerade günstig ist, einen um vielfach kostspieligeren Lautsprecher vor sich zu haben. Hangelt man sich nun weiter zu Jazz oder Musik aus dem Klassik Bereich verblüfft auch hier die in sich geschlossene Wiedergabe die einen quasi dazu verführt, der Musik zuzuhören und nicht irgendwelchen klanglichen Einzeldisziplinen und Effekten. Wenn ich dies doch tue, fällt mir wie schon erwähnt der extrem saubere Mitteltonbereich auf. Darauf folgt der genial eingebundene Hochtonbereich, der nicht nervt oder sich über Gebühr präsentiert. Er ist einfach da und schafft im Quasi-Nahfeld den Spagat zwischen der Lieferung aller Details und dem Fehlen von artefakthafter, analythischer Darstellung. Selbst der Tieftonbereich ist für einen geschlossenen Lautsprecher dieser Größe umwerfend. Kontrabässe zum Beispiel haben Körper und Kontur und man kann ihnen glaubhaft bei der Musikwiedergabe folgen. Natürlich geben andere Lautsprecher, zb. meine Audio Note AN-E diese Informationen noch um einiges tiefer wieder aber über die Harbeth kommt bei mir nicht das Gefühl auf, ohne Tieftonbereich leben zu müssen. Alles ist irgendwie gut so, wie es ist.

Ich finde die Harbeth P3ESR SE von Alan Shaw und seinem Team um Harbeth als eine wirklich herausragende Konstruktion im Bereich der Lautsprechertechnik und wie der Autor Stefan Gawlick in der Fildeity Publikation es beschrieben hat, hat dieser Lautsprecher für viele Musikliebhaber das Zeug dazu, sehr lange zu bleiben und wenn nicht sogar der Letzte zu sein. Wer seine Musik nicht allzu laut hört, auf markerschütternden Tiefbass verzichten kann, jedoch eine realistische, homogene und "echte" Wiedergabe mit Langzeithörqualität sucht, dem empfehle ich dringend, sich diese Lautsprecher einmal in aller Ruhe anzuhören.

 

 

Musikalische Grüße und bis bald,

euer Michael

 

Nachtrag vom Dezember 2013: Ab sofort übernimmt hier zu Hause ein Vollverstärker (RG9 MK3) von der deutschen Manufaktur Symphonic Line die Verstärkung für die Harbeth. Ein wirklich tolles Team.

 

Musikalische Grüße und bis bald,

euer Michael